Kinder mit neurophysiologischen Entwicklungsverzögerungen zeigen oft einzelne oder mehrere der folgenden Symptome:
Das Kleinkind
• Es ist unruhig und fordernd, hat häufig Wutanfälle und verharrt scheinbar im Trotzalter.
• Es hat schnelle Stimmungsumschwünge.
• Es ist überängstlich und „klammert“.
• Es macht gelegentlich noch ins Bett.
• Es ist ungeschickt und tollpatschig.
• Das Kind entwickelt keinen festen Schlafrhythmus.
• Es ist allergieanfällig und häufig krank.
Das Schulkind
• Das Kind ist leicht ablenkbar und wirkt unkonzentriert.
• Es vergisst schnell wieder bereits Geübtes und Gelerntes.
• Es zappelt auf seinem Stuhl herum und kann nur mit Mühe still und aufrecht sitzen.
• Es bewältigt Aufgaben nur sehr langsam.
• Es hat Schwierigkeiten, Fakten und Ereignisse in eine logische Abfolge zu bringen.
• Es verdreht Buchstaben beim Lesen und Schreiben und macht Fehler beim Abschreiben von der Tafel oder aus dem Buch.
• Die Stifthaltung ist verkrampft.
• Es gibt eine starke Diskrepanz zwischen intellektuellen Fähigkeiten und emotionalem Verhalten.
Viele dieser Symptome findet man bei Kindern mit ADS/ADHS.
Auch hochsensible Kinder sind häufig betroffen.
Diese Auffälligkeiten können typische Auswirkungen von Restreaktionen frühkindlicher tonischer Bewegungsmuster sein, die dann zu Bewegungs-und Koordinationsstörungen und mangelnder neuromotorischer Aufrichtung führen. In der Folge stellen sich tonische Dysbalancen und sensorische Integrationsstörungen mit der damit verbundenen sozial-emotionalen Unreife ein.
Auffälligkeiten bei Erwachsenen
Bei Erwachsenen können sich im Grunde ähnliche Symptome zeigen wie bei älteren Kindern. Teilweise haben sie aber gelernt, bestimmte Impulse zu vermeiden oder zu kompensieren. Nicht selten finden sich aber überängstliche oder depressive Verhaltensweisen und wenig selbstbewusstes, selbstkritisches Handeln. Andererseits sind auch oft eine mangelnde Impulskontrolle, Kritikunfähigkeit, innere Unausgeglichenheit oder Gleichgewichtsprobleme zu beobachten. Außerdem können auch Kopfschmerzen, Schulter-und Nackenverspannungen, Schwindel sowie depressive Verstimmungen in jahrelanger Kompensation mangelnder motorischer Reife oder tonischer Dysbalancen begründet sein.
Im Folgenden finden Sie die Beschreibung einiger frühkindlicher Reflexe und ihrer Auswirkungen.
Moro-Reflex
Entstehung: 9.–12. Schwangerschaftswoche
Waltezeit: 2.–4. Lebensmonat
wird umgewandelt in eine Erwachsenenschreckreaktion
Auslöser des Moro-Reflexes
1. vestibulär – drohender Verlust des Gleichgewichtes
2. auditiv – plötzliche Veränderungen der Lautstärke etc.
3. visuell – plötzliche Veränderung der Sicht (dunkel, hell, etc.)
4. taktil – plötzliche Veränderungen durch Berührung oder Schmerz
5. plötzliche unerwartete Reize jeglicher Art
Der Moro-Reflex ist die früheste Reaktion auf eine Lageunsicherheit. Wird der Moro-Reflex ausgelöst, erfolgt eine unmittelbare Erregung, die einhergeht mit
• dem Anstieg der Atemfrequenz
• der Beschleunigung des Herzschlages
• dem Anstieg des Blutdrucks
• einer Rötung der Haut
• und eventuellen Wutausbrüchen oder Tränen
Bei der oben beschriebenen Reaktion wird Adrenalin und Cortisol produziert und freigesetzt. Beide Stoffe sind u.a. für die Immunabwehr mitverantwortlich. Ein erhöhter Spiegel an Stresshormonen schwächt das Immunsystem und kann zu erhöhter Infektanfälligkeit führen.
Mögliche Auswirkungen durch fortbestehende frühkindliche Bewegungsmuster des Moro-Reflexes:
1. Die Kinder sind hypersensibel. Sie reagieren oft nicht situationsangemessen. In allen Wahrnehmungssystemen (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) kann es zu einer Reizüberflutung kommen.
2. Das Gleichgewicht und die Eigenwahrnehmung sind beeinträchtigt.
3. Das sozial-emotionale Verhalten des Kindes kann sich nicht stabilisieren. Es kommt es zu einer deutlichen Diskrepanz zwischen kognitiver und motorischer Reife.
4. Bei Erwachsenen können sich überängstliche oder depressive Verhaltensweisen und wenig selbstbewusstes, selbstkritisches Handeln zeigen. Auch Angstneurosen und Panikattacken werden mit Restreaktionen eines Moro-Reflexes in Verbindung gebracht.
ATNR – Asymmetrischer Tonischer Nackenreflex/Fechterstellung
Entstehung: 18. Schwangerschaftswoche
Waltezeit: ca. im 6. Lebensmonat im Wachzustand, im Schlaf bis zum 3. Lebensjahr möglich.
Der Reflex wird über die Kopfdrehung zur Seite ausgelöst, dabei strecken sich Arm und Bein der Gesichtsseite und die Gliedmaßen der Hinterhauptseite beugen sich. Durch die Verbindung von Kopf, Augen- und Armbewegung bildet der ATNR/Fechterstellung die Grundlage für ein erstes Training der Zusammenarbeit von Auge und Hand und damit eine fundamentale Voraussetzung für alles spätere Lernen in der Schule.
Mögliche Auswirkungen durch fortbestehende frühkindliche Bewegungsmuster des ATNR / Fechterstellung:
1. Die Kopfbewegung ist nicht unabhängig von der Körperbewegung möglich
2. Die Fähigkeit, die Körpermittellinie zu überkreuzen, ist erschwert
3. Schwierigkeiten der Augenmuskelmotorik und der visuellen Wahrnehmung
4. Homolaterale (einseitige) statt alternierender (überkreuzender) Bewegungsmuster, wechselnde Lateralität (Seitigkeit)
5. Mögliche Auswirkungen in der Schule:
• Zeilen können nicht eingehalten werden
• Schreiben und gleichzeitige Kopfbewegung (Blick zur Tafel), lassen den Stift wegrutschen
• Unreife und verkrampfte Stifthaltung, erhöhter Druck auf den Stift
• Lese- und Rechtschreibprobleme
• Erlernen der Schreibschrift ist erschwert.
TLR – Tonischer Labyrinth Reflex
TLR im Beugemuster:
Entstehung: 20. Schwangerschaftswoche
Waltezeit: 3. – 4. Lebensmonat
Eine Beugung des Kopfes nach vorne löst eine Beugung des Körpers aus.
TLR im Streckmuster:
Entstehung: ausgelöst bei der Geburt
Waltezeit: Schrittweise Aufrichtung ab 6. Lebenswoche bis zum Alter von 3 Jahren bei gleichzeitiger Entwicklung der Halte- und Stellreaktionen. Die Streckung des Kopfes fördert die wichtige Entwicklung aus der Beugung und leitet so die Aufrichtung gegen die Schwerkraft ein. Der TLR ermöglicht dem Baby erste Sinneswahrnehmungen für Gleichgewicht und Raum.
Mögliche Auswirkungen durch fortbestehende frühkindliche Bewegungsmuster des TLR:
1. Alle folgenden Halte- und Stellreaktionen entwickeln sich nicht vollständig. Die Folge der mangelnden Kopfkontrolle ist die Beeinträchtigung der Augenmuskelfunktionen (vestibulo – okularer Reflexbogen). Das Gleichgewicht wird durch fehlerhafte visuelle Informationen beeinflusst und das Sehvermögen über eine schlechte Balance beeinträchtigt.
2. Schwierigkeiten in der Seh- Hör- und/oder Raumwahrnehmung
3. Probleme mit dem Gleichgewicht: Ein perfekt arbeitendes Gleichgewichtssystem zeigt sich im Stillstehen!
4. Das Krabbeln wird deutlich erschwert. Die Krabbelphase ist ein wichtiger Entwicklungsschritt im Leben des Kindes, um Koordination, Gleichgewicht und Augenmuskelfunktionen miteinander zu verbinden.
5. Auffällige Körperhaltung – z. B. Rundrücken oder Hyperlordose und Zehenspitzengang
6. Hypotonie (geringe Muskelspannung) oder Hypertonie (zu hohe Spannung)
7. Mangelnde Bewegungsfreude, Abneigung gegen sportliche Aktivitäten
8. Strukturmangel in Zeit und Raum (Tag- und Nachtrhythmus, Dosierung der Bewegung, Erkennen grammatikalischer Strukturen, Organisationsfähigkeit)
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